Es war ein ganz schönes Stück Arbeit, geprägt vom ständigen Auf und Ab des Online -,Wechsel- , und Präsenzunterrichts – die letzten Etappen auf dem Weg zum Latinum gestalteten sich wahrlich nicht einfach, doch jetzt – zum Ende der Q1 hin – haben wir es errungen: Unser Latinum, das für uns mehr ist als nur eine Urkunde, die bestimmte kriterienkonforme Kenntnisse des Lateinischen belegt.
Vielmehr dokumentiert das Latinum – hart erarbeitet in peste corona – ein konsequentes Durchhalten, ein Bei – der Sache – Bleiben trotz beunruhigender und oftmals schwierig zu handhabender Rahmenbedingungen, ein Sich – Durchbeißen, grammatikalisch, inhaltlich und auch angesichts aller externer Imponderabilien. Zudem konnte sich in unserem kleinen Kurs von gerade einmal fünf Mann trotz Maske niemand verstecken. Jeder musste liefern, auch wenn er einmal nicht „well prepared“ war (was des Öfteren zutraf).
Zuletzt unternahmen wir tapfer eine Reise durch Ovids Metamorphosen und Senecas epistulae morales, denen wir spannende Bezüge des existenziellen Transfers („Hätten wir nicht gedacht, dass sich der Mythos von Apoll und Daphne mit der ME TOO Debatte verknüpfen lässt und die lykischen Bauern tatsächlich eine Relevanz mit Blick auf das Thema Menschenrechte haben!“) und sogar ein wenig Affektkontrolle und Agieren aequo animo im Sinne Senecas verdanken ( Standbilder werden ohne Lachanfälle „performed“ und wenn nach vier Stunden des Cuttens der lateinische Podcast plötzlich gelöscht ist, machen wir ihn stoisch einfach neu.).
Zugegeben: Es war nicht immer einfach, wir haben uns summo cum labore doch auch gequält und nicht selten dämmerte uns, dass Grammatikwiederholung in der Lektürephase vielleicht doch nicht so verkehrt ist, denn – „upps, hmm, das mit dem ablativus absolutus hatten wir ja irgendwann mal besprochen und Sie hatten gemeint, dass das für die Lektüre wichtig ist…sei“.
Ja, klar, aber auch vieles Wertvolle hat sich uns erschlossen: beispielsweise die Erkenntnis Kurt Steinmanns („Das war doch der, der die Ilias übersetzt hat? Ey ne, man, der hat random ALLES übersetzt, Junge!“), dass antike Texte eben nur ihrem Entstehungsdatum gemäß alt sind, nicht aber bezüglich ihrer Aussageabsicht, und dass sie verdammt viel zu bieten haben, wenn es darum geht, zum Beispiel auf der Basis von Sen., ep. 104 über den Sinn bzw. Unsinn des unreflektierten Reisens nachzudenken: „Das ist genau wie mit der Schule: du hast da voll die Probleme und findest es ätzend; dann änderst du den Ort, aber die Schulprobleme bleiben und es ist immer noch ätzend!“ – genau, denn: animum debes mutare non caelum.
Spaß beiseite, wir haben einiges geleistet, unseren Blick für die Schönheit und den Reichtum der lateinischen Sprache geschärft, uns redlich mit diversen grammatikalischen Konstruktionen und dem Hexameter gequält („Können wir nicht vielleicht doch eher hauptsächlich skandieren als übersetzen?“ „Ähh- nein?“), konsequent sprachsensibel gearbeitet (was strukturierte Sprechhilfen so alles aus einem herausholen: „Du hast dich echt gehoben ausgedrückt, Junge!“), haben gelernt, dass – omnia mea mecum porto- jeder von uns so einige existenzielle Schätze in sich selbst findet – unabhängig von sämtlichen Adiaphora – und wir sind am Ende zu Recht auch ein wenig stolz auf unseren Erfolg, denn – per aspera ad astra – das Latinum kann uns keiner mehr nehmen. Okay, es ist vielleicht nicht für jeden das summum bonum, aber unbestritten mit Herzblut erkämpft.
Und eines ist uns klar geworden: letztendlich lohnt es, durchzuhalten, denn in Latein geht es um die großen Fragen, um die essentials, die humanitas und damit um das, was wir für die Zukunft wirklich brauchen – homo doctus semper in se divitias habet.
Anny Papaphilippu