Ein neues Refugium – mit den Lateinern der Klasse 9 im Römisch – Germanischen Museum im Belgischen Haus
Ein Bericht von Anny Papaphilippu
Ein wenig unheimlich wirkt sie ja schon, diese Medusa, die uns im Foyer des Belgischen Hauses von ihrem exponierten Platz hoch über unseren Köpfen beäugt – immerhin: zu Stein konnte sie uns nicht verwandeln, durch ihren Mythos aber umso mehr einen interessanten Einstieg zu unserer Führung quer durch den römischen Alltag und die tollsten Exponate des Römisch – Germanischen Museums bieten.
Denn: heute unternehmen wir einen Streifzug durch das Belgische Haus in der Cäcilienstraße – seit 2019 das neue Refugium für rund 25% der Exponate des eigentlich am Roncalliplatz beheimateten Römisch- Germanischen Museums, das derzeit renoviert wird und (hoffentlich) 2026 erneut seine Pforten für Fans der Antike öffnen wird.Und dieses neue Refugium ist wahrlich keine üble Adresse, vielmehr ein echtes Juwel im Herzen Kölns, ein top renoviertes architektonisches Schmuckstück und seit Kriegsende ohnehin ein Ort der Pflege von Kultur – und Kunst.
Und die Schätze, die das Belgische Haus in seinem luxuriösen Inneren hütet, sind nicht minder beeindruckend: im unteren Stockwerk tauchen wir zunächst tief ein in den römischen Alltag. Wir betrachten kunstvoll verzierte Grabsteine und erfahren durch deren Inschriften so einiges über das Leben der betreffenden Verstorbenen, vor allem aber, wie bedeutend für die Römer der Totenkult war, wie wichtig eine würdige Bestattung und kostbare Grabbeigaben. So bewundern wir beispielsweise filigrane Glasflakons, einen Spiegel und einen elfenbeinernen Kamm – alles Grabbeigaben einer vornehmen Römerin.
Wir sind beeindruckt von wunderbarem Terra Sigillata Geschirr und fein gearbeiteten Küchenutensilien. Besonders aber spricht uns die antike Dachschindel an, auf der sich ein Hund mit seinen Pfotenabdrücken verewigt hat, als sie – wohl noch zum Trocknen – an der Sonne lag. Ebenso fasziniert uns das mehrteilige und etwas „rabiat“ wirkende Arbeitsset eines Zahnarztes mit Pinzetten und Zangen – sehr angenehm war eine Behandlung bei diesem medicus höchstwahrscheinlich nicht…
Weiter geht´s zum Lararium mit den römischen Hausgöttern (Laren), welche uns als filigran gearbeitete Göttinnen und Götter en miniature aus den Glasvitrinen anstrahlen – bestens erhalten und Symbol der bedeutenden Rolle der Religion im Alltag eines jeden civis Romani.
Und schon geht es die Marmortreppe hinauf direkt in den ersten Stock, wo wir geflasht sind von den zahlreichen weltberühmten Glasexponanten:
da wäre beispielsweise der fulminante Diatret – Becher mit seiner farbigen Netzhülle, dem Eierstabmotiv aus geschliffenem Glas und dem in erhobenen Buchstaben gehaltenen griechischen Trinkspruch „Trinke, lebe schön, immerdar“ – das zweitteuerste Glas der Welt aus dem 4. Jahrhundert nach Chr..
Doch es gibt noch mehr zu sehen: z.B. das Schlagenfadengefäß mit seinem feinen Muster aus Glasfäden, der Achillespokal mit den erstaunlich modern wirkenden Szenen aus dem Achilles – Mythos, gläserne römische Flip Flops als Parfumflakon und viele bezaubernde Glasskulpturen, wie das wunderschöne blaue Glasschweinchen und – unser Favorit in eloxierendem Grün – der canis vitreus, ein bezaubernder kleiner gläserner Hund. Eines ist klar: Glas konnten die Römer!
Schmuck auch: wunderschöne goldene Ohrringe in Form von Harpyien, Gemmenringe, ein Schlagenarmreif – all das hat 2000 Jahre überdauert, um unseren Schülerinnen und Schülern die Kultiviertheit, das handwerkliche Können und die Kunstfertigkeit der Römer vor Augen zu führen.
„Die Römer hatten es echt drauf!“, „Wie haben die den Diatret – Becher hergestellt?“, „Da vorne gibt es auch Wachstafeln und stili!“, „Waren die Bronzeskulpturen innen hohl?“, „Warum würzten die Römer alles mit Garum?“, „Weshalb war das Mittelalter so rückschrittig, wenn es doch schon in der Antike Aquädukte und ein Abwassersystem gab?“, „Wahnsinn, wie toll erhalten die Farben der Glasgefäße sind!“, „Die Römer hatten sogar kleine Würfel aus Bein zum Spielen!“, „Den Kaiser Augustus erkennt man an seiner Stirnlocke!“, „Wie haben die matronae ihre Frisur hinbekommen?“, „Und Caligula hat wirklich sein Pferd Incitatus zum Konsul ernannt!“, „Wie hieß noch mal dieser Chauffeur…ehm…Fährmann, der die Toten über den Fluss der Unterwelt, die Styx, brachte?“
Ja, der Fragen und Bemerkungen sind es wahrlich viele, doch alle eint derselbe Grundtenor: die Antike lebt und historische Kommunikation gelingt – an einem solch großartigen außerschulischen Lernort wie dem Belgischen Haus allemal!
Und was unsere Schülerinnen und Schüler von dieser Exkursion mitnehmen ist vor allem eines: eine kostbare Horizonterweiterung, die es ihnen ermöglicht, auch künftig sehenden Auges durch das römische Köln zu gehen und die lebendigen Spuren der Antike zu erkennen, dabei den Wert ihrer zivilisatorischen Errungenschaften zu ermessen und zu heutiger Zeit reflektiert in Beziehung zu setzen – und das ist es doch, was wir wollen – für unsere Schülerinnen und Schüler und nicht zuletzt für das Fach LATEIN.
Wir danken Susanne Viegener aus dem multiprofessionellen Team für eine -wie stets – hochengagierte und in jeder Beziehung gelungene Führung! Gratias agimus.