HBG studiert:Zeitzeugin Irene Seiwert an der HBG

Wenn die Geschichte sich immer wieder wiederholt und immer das Unerwartete geschieht, wie unfähig muss der Mensch sein, durch Erfahrungen klug zu werden . ( George Bernard Shaw )

Der dritte Besuch der Zeitzeugin Irene Seiwert (95) an der Heinrich-Böll-Gesamtschule zum Gespräch mit SchülerInnen des HBG Studiert Projektes
(Ein Bericht von Mathieu Das)

Die Zeitzeugin, die uns am 06.April 2022 im Rahmen von HBG Studiert besuchte, ist Irene Seiwert, die schon häufiger an unserer Schule zu Gast war. Irene Seiwert wurde zwischen den beiden Weltkriegen im Jahre 1927 als jüngstes von vier Kindern in Prüm in der Eifel geboren. Sie und ihre Familie flohen Mitte der 1930er Jahre nach Köln, um dem unmittelbaren Druck und der Gewalt des aufkommenden Nationalsozialismus zu entkommen, denn ihre Eltern weigerten sich, die Nazis zu unterstützen. In der Vorkriegs- und Kriegszeit in Köln hätten sie und ihre Schwester oft die Schule gewechselt und später sei sie, Irene, mit ihren Schulkameradinnen in die Kinderlandverschickung nach Mecklenburg-Vorpommern und später auch nach Schleswig- Holstein gekommen, bis sie dann schließlich in das von den Bomben zerstörte Köln zurückgekehrt sei. Frau Seiwerts Geschichte dokumentiert also auch ein bewegendes Kriegs – bzw. Familienschicksal, geprägt von Schmerz, Verlust und Trauer, denn Frau Seiwert ist die letzte Überlebende ihrer Familie. Beide Brüder kehrten aus dem Krieg nicht zurück und ihre Schwester verstarb an Krebs.

Vor dem Besuch von Frau Seiwert hatten wir uns als HBG Studiert Gruppe schon lange auf ein Gespräch mit der Zeitzeugin vorbereitet. Wir haben uns mehrere Wochen lang mit unserem Oberthema: Kritische Reflexion der Erziehung im Nationalsozialismus beschäftigt und uns beispielsweise anhand von Dokumentationen, Präsentationen und vor allem anhand verschiedener Texte umfassend informiert, Quellen untereinander verglichen und in der Gruppe miteinander diskutiert. Dabei haben wir die Vorgehensweise und Methodik der Indoktrination von Heranwachsenden durch die Nationalsozialisten und die Prinzipien der NS-Ideologie genau zurückverfolgt und reflektiert. Wir haben außerdem verglichen, wie Kindheit bzw. Erziehung damals, zur Zeit des nationalsozialistischen Regimes, aussahen, und was die Unterschiede zu einer heutigen identitätsfördernden Erziehung sind. Mehrere Male wurde uns dabei bewusst, wie berührend und zugleich wichtig dieses Thema ist. Die Nazis wussten nämlich genau, warum die Indoktrination, gerade der Kinder und Jugendlichen, so wichtig war. Durch systematische Manipulation begeisterten sie die Heranwachsenden für den Nationalsozialismus, beispielsweise durch Fahrten und Rituale in der Hitlerjugend.

Natürlich gab es auch Widerstand von Intellektuellen, Eltern oder Lehrern. Von Frau Seiwert erfahren wir im Gespräch zum Beispiel, dass der Schulleiter der Ursulinenschule (,die es heute noch gibt, ) die Kinder vor der Indoktrinierung durch die Nazis schützen konnte, was äußerst bewundernswert und mutig war.

Doch wie oben erwähnt, ist es vor allem Frau Seiwerts Geschichte über eine Jugend zu Kriegszeiten, die uns gerade in diesen Tagen, in denen ein weiterer Krieg in Europa tobt, zutiefst bewegt.

Während in der Ukraine Krieg herrscht, stellt sich nämlich – auch auf der Basis von Frau Seiwerts Bericht – die Frage, ob die Menschheit eigentlich gar nichts aus Kriegen gelernt habe? So viel Zerstörung, Tod, Leid und Hunger dominieren den Alltag der Menschen im und um das Kriegsgebiet. Aber auch wir, die Menschen in Deutschland, fühlen uns betroffen und merken erst in solchen Momenten eindrücklich, wie wichtig Frieden und Respekt sind.

So wurde uns bei unserem Gespräch mit Frau Seiwert stark bewusst, dass Menschen, die bereits einmal einen Krieg miterleben mussten, besonders tiefe Empathie für die Bevölkerung in der Ukraine empfinden können und deren Leid wirklich nachzuvollziehen imstande sind. Auch wir können Dank Frau Seiwerts Bericht größere Empathie entwickeln.

Die Zeitzeugin weist uns beispielsweise nachdrücklich darauf hin, dass es immer falsch sei, Macht zu missbrauchen und zum Schaden anderer zu benutzen. Außerdem betont sie, dass sich Geschichte stets wiederhole, und dass man eigentlich aus Fehlern lernen und versuchen solle, sie nicht wieder zu begehen…

Aus Frau Seiwerts Besuch konnten wir alle zusammen eine wichtige Lehre ziehen. Sie hat uns geschildert, wie ihr Leben vor und im zweiten Weltkrieg aussah, so dass wir uns ein authentisches Bild der damaligen Geschehnisse machen konnten. Sie hat uns nachhaltig für den Wert von Frieden sensibilisiert und uns damit etwas sehr Wertvolles, Berührendes und Persönliches mitgegeben, das wir für die Zukunft bewahren sollten.

Und dafür danken wir ihr sehr herzlich!