„White Power Barbies“ mit der Q1 und Q2 im HORIZONT Theater
Ein Bericht von Anny Papaphilippu
Liken, liken, abbonieren, klick, klick, klick – wir sind cool, schön, zum Verlieben – und: wir sind rechts!
So das Mantra der „White Power Barbies“ Melina und Laura, zweier rechtsradikaler junger Frauen, die auf Twitter, Instagram, Tic Toc und Co rechtes Gedankengut teilen, immer extremere Inhalte posten – am Ende sogar Anschläge, bei denen Menschen ernsthaft zu schaden kommen – denn das begeistert ja besonders viele treue Follower aus der neonazistischen Community.
Wer sind diese „White Power Barbies“? Die eine, Melina, eine „aufstrebende Rechtsradikale“ mit ausgeprägtem Hang zur Selbstdarstellung in den sozialen Netzwerken, die gern auch mal die eine oder andere rechtsradikale Straftat viral gehen lässt. Die andere, Laura, Melinas Gefährtin in der Neonazi – Szene, parallel aber auch Assistentin und Freundin der rechtspopulistischen Politikerin Sandra Engelbrecht und zudem Geheimagentin des Verfassungsschutzes – so eine „Triple-Identität“ muss tierisch anstrengend sein und geht selten gut…
Roland Sprangers Stück handelt also von diesen beiden „Nazi- Babes“, die immer tiefer in den Sog der rechten Szene rutschen und – Parallelen zum NSU werden explizit gezogen – immer radikaler und erbarmungsloser in ihren Gewaltakten werden, bis sie letztlich die Kontrolle über die Spirale an Hass, Hetze und destruktiver Energie verlieren, die sie selbst so vehement in Gang gesetzt haben.
Das recht kurze, doch sehr komprimierte Stück wühlt auf, verstört und sensibilisiert: für die Allgegenwärtigkeit faschistoider Tendenzen, für die tragende Rolle der sozialen Netzwerke in diesem Kontext und nicht zuletzt für ein bestimmtes Gesicht rechtsextremistischer Orientierung: nämlich das junger, schlagfertiger, schöner Frauen, instagram- like und fotogen – und dadurch umso gefährlicher, weil als role models vermeintlich umso attraktiver.
Und nicht zuletzt wird die Macht des Wortes bewusst – die Form stützt eben den Inhalt. So ist es kein Zufall, dass die Abgeordnete Engelbrecht sich in altdeutsch – antiquiert wirkenden Wortungetümen, wie „Bubenmut“, „Duttengretel“ und „goldbetupft“ ergeht, während Melina und Laura gekonnt die Klaviatur der Jugendsprache, sexualisierter Kraftausdrücke und eines hippen Influencer – Tons bedienen. Die Gefahr und Perfidie von Euphemismen und dessen, was sich in unserem Staat noch gerade so aussprechen lässt, ohne dass es sich offen als demokratiegefährdend demaskiert, wird deutlich, ebenso wie konkrete politische Realitätsbezüge.
Sprangers Stück ist zweifellos wertvoll und in der Umsetzung von Christos Nicopoulos dynamisch, fesselnd und schockierend, richtet es doch ein schonungsloses Schlaglicht auf heutige alarmierende gesellschaftliche Entwicklungen und Tendenzen, die eine perfide Eigendynamik entfalten, welcher man nur durch Kritikfähigkeit, Mündigkeit, Autonomie und – in den Worten Adornos – „dem Mut zum Nicht – Mitmachen“ begegnen kann – und freilich durch Aufklärung.
Und eben diese bietet das Stück für Schülerinnen und Schüler – Aufklärung und Bewusstmachung über bzw. von rechtsradikale(n) Tendenzen, die uns tagtäglich und eben auch online begegnen.
Noch im Todeskampf filmt sich Melina selbst und röchelt mit erstickter Stimme „liken, liken, abbonieren“ und macht damit auch uns LehrerInnen klar, dass wir, was Gewaltprävention, Demokratie- und Friedenserziehung, Medienerziehung und vor allem interkulturelle Bildung anbetrifft, in einer digitalisierten Welt vor besonderen Herausforderungen stehen.
„White Power Barbies“ , das Stück um die weißen, ergo „arischen“, „Kraftpuppen“ – der Name ist Programm – behandelt zweifellos keine leichte Kost: neben all´ dem gekonnten Wortwitz und – ja, Humor (denn dieser vermag die beklemmenden Inhalte oftmals nachhaltig zu transportieren) – geht es auch um die NSU-Morde, die dazugehörigen Akten, den kritischen Blick auf den Verfassungsschutz in diesem Kontext und letztlich mit Laura und Melina um zwei gescheiterte junge Leben. Doch Erkenntnis funktioniert gut über das Moment der Betroffenheit – und auch das macht das Stück: betroffen, ja beklommen angesichts der Realität, die es abbildet und in der wir leben – und auf die wir als LehrerInnen unsere Schülerinnen und Schüler vorbereiten müssen, damit sie sich selbst vor Manipulation und Fremdbestimmung schützen können.
Vor dieser Fremdbestimmung sind auch Laura und Melina als Protagonistinnen des Stücks nicht gefeit, abhängig beide – von der Anzahl ihrer Follower, den Zwängen der Triple- Identität und dem damit verbundenen Lügenkonstrukt, der Bindung an die Neonazi – Ideologie und der Suche nach einem vermeintlichen Sinn in ihren auf Tic Toc zur Schau getragenen Poser – Leben. „ Ich will kein Opfer sein; ich will selber kämpfen, „ ruft Melina voll Enthusiasmus und wird letztlich selbst zum Opfer ihrer Gesinnung.
Wieder einmal ist es dem HORIZONT Theater gelungen, mit einfachsten Mitteln und ohne viel Requisite uns als Rezipienten in den Bann zu ziehen und zu berühren, weil uns erneut ein Stück echten – wenn auch bedrückenden – Lebens gezeigt wurde, das wir für uns reflektiert verorten und aus dem wir unsere Konsequenzen ziehen müssen:
Liken, liken, abbonieren – vielmehr checken, filtern, reflektieren und hoffentlich kritisieren!
Und dies sind die Stimmen einiger Schülerinnen und Schüler der Q1 und Q2 dazu:
„Ich fand die Art und Weise, wie wir Zuschauer in die Thematik reingeworfen wurden, sehr spannend. Die Thematik wurde beeindruckend umgesetzt und hat zum Nachdenken angeregt. Wo manch einer eine Problematik sehen würde, finde ich eine gut durchdachte Provokation: z.B. bei der sehr drastischen/derben Darstellung, der Sprache sowie dem Auftreten (der Protagonistinnen).“
„Eines der meiner Meinung nach durchdachtesten Mittel, die die Schauspieler benutzt haben, war, dass sie kein Blatt vor den Mund genommen haben. Die Sprache basiert auf Ironie und Satire, dennoch bleibt die Aussage, die sie uns mitteilt, deutlich. Rassismus und Diskriminierung sind immer noch Teil unserer Gesellschaft und genau das wurde schauspielerisch sehr gut umgesetzt und vermittelt.“
„Das Theaterstück hat mir gefallen, weil es mir gezeigt hat, wie schnell und einflussreich man die eigenen Gedanken – in diesem Fall rechtsextreme Gedanken – in den sozialen Medien teilen kann. Ich konnte gut erkennen, in was für Situationen sich die jeweiligen Personen befanden und in welchen Verhältnissen sie zueinander standen. Es war sehr lebendig und interessant, sich als Zuschauer in die Charaktere und in ihre Perspektiven hineinzuversetzen.“
„Ich fand es toll, wie authentisch die Schauspielerinnen ein ernstes Thema rübergebracht haben. Es hat Spaß gemacht, zuzuschauen und die Message, die sie uns vermitteln wollten, ist deutlich angekommen. Unsere Gesellschaft ist immer noch geprägt durch Rassismus und außerdem starken Medieneinfluss, was leider sehr unterschätzt wird.“
„Respekt an die Schauspieler!“
„Mir hat besonders gefallen, wie sie (die Schauspielerinnen) uns ohne viel Equipment und ohne viele Personen das Thema des Theaterstücks klar vermitteln konnten. Es wurde nie langweilig und hat Spaß gemacht, zuzuschauen.“
„Es war eine tolle Inszenierung und eine sehr gute schauspielerische Leistung. Man erlebte als Publikum die Taten und Gefühle der Schauspieler mit. Das Theaterstück wurde realistisch verpackt und einige Stellen waren auch sehr überraschend.“
„Ich fand am Theaterstück interessant, wie die scheinheilig als „harmlos“ daherkommende Rechtsradikalität mit ihren gewaltigen kriminellen Auswirkungen in die Tat umgesetzt wurde. Man verstand, welchen Schaden Rechtsradikalität in der Gesellschaft, in den sozialen Medien und in der Politik hervorruft. Hierbei fand ich es eindrucksvoll, wie uns die Augen geöffnet wurden. Wir müssen auf unser Umfeld achten, wer wen beeinflusst und wie behandelt.“
Danke, liebes HORIZONT Theater, für einen erneut tollen Theaterabend, unser Respekt an das grandiose Ensemble!
Und wie immer: vielen Dank an den Förderverein der Heinrich – Böll – Gesamtschule für eure stete Unterstützung! Seid sicher: es bringt was!